Aufruf des Schinderhannes
Auf, auf, ihr Kameraden
zu finstrer Nachteszeit!
Zeigt Eure Heldentaten,
es schlafen all bereits,
all Richter und all Schergen
und was uns schrecken kann;
ihr dürft euch nicht verbergen,
wenn ihr greift mutig an.
Tut euch nicht lang bedenken,
eilt hin auf jenen Platz,
wo in gefüllten Schränken
liegt ein verborgner Schatz;
erbrechet Tür und Schlösser,
wo groß Paläste sein,
durchbohrt gefüllte Fässer
und trinkt den besten Wein!
Doch hört die Bitt’ der Armen,
springt bei in ihrer Not;
mit ihnen habt Erbarmen,
mit ihnen teilt das Brot!
Den Wandrer auf der Straßen
Lasst ungestöret gehen;
Auf solche sollt ihr passen,
die Armut nur verschmähn!
Sollt’ euch dann endlich drücken
hier die Verhaftungsqual,
so schont nicht eure Rücken,
einmal für allemal!
Bleibt euch nach Rutenstreichen,
das Schloß des Munds nicht zu,
so seid ihr blasse Leichen,
es geht dem Galgen zu.
Räumt uns die Galgenwiesen
einst einen Wohnplatz ein,
wo uns die Raben grüßen,
was kann vergnügter sein?
Dort ist der Himmel heiter,
bei schöner Sommerzeit,
stehn Blumen Gras und Kräuter,
zu unsrer Lust bereit.
Abschied des Schinderhannes
Ich bin schon weit in der Welt `rumkommen,
in diesem Wald nahm man mich gefangen.
Man führt mich in die Stadt hinein,
wo ich sollt gefangen sein.
Aufs Rathaus täte man mich führen.
Drei, viermal tät man mich examinieren.
Man schreibt mir jedes Wörtlien auf,
und führt mich in den Turm hinauf.
In diesem Turm hab ich gesessen,
und schlechte Speiß hab ich gegessen,
bis dass dann kam die letzte Stund,
da ich nichts mehr essen kunt.
Johannes Bückler ist mein Name
Und dreiundzwazig sind meine Jahre.
Drei Tag, drei Nächt vor meinem End
Empfing ich noch die Sakrament.
Ade, lieb Vater, ade lieb Mutter,
ade, lieb Schwester, ade, lieb Bruder.
Und betet alle insgeheim,
dass mir Gott wohl Gnädig sei!
Aus ist mein junges Leben
Aus ist mein junges Leben
Zu End‘ ist mein Arrest,
wo ich von Angst umgeben
bisher gesessen fest.
In Ketten und in Banden
Bei Tag und auch bei Nacht;
Bald ist es überstanden,
bald heißt es : Gute Nacht!
In meinem neunzehnten Jahre
(o Jugend merke auf!)
ging ich zu Räuberscharen,
warf mich zum Hauptmann auf.
Stahl Hühner, Gäns‘ und Schafe,
schon in meinem sechzehnten Jahr,
den Bauern nachts im Schlafe
da ich zu Haus noch war.
Zwei Jahr dient ich als Schinder,
dem stahl ich einst zwei Kron‘;
als er doch kam dahinter,
jagt er mich bald davon.
Drauf kam ich zu der Bande
Tat Einbruch und stahl Pferd;
Da niemand mich noch kannte,
doch viel von mir gehört.
Mein Urteil ist gesprochen,
ein End‘ hat nun mein Not
der Stab, der ist gebrochen
ich geh bald in den Tod
Will ohne Furcht und Grauen
Standhaft in heitrem Sinn
Das Blutgerüst beschauen
Und auch die Guillotine
Packt mich, Ihr Henkersknechte
Nur fest und herzhaft an
Und tut mir bald mein Rechte
Ich hör es würdig an:
Wann es heißt: „Schinderhannes
Aus ist jetzt deine Zeit;
Zieh ab den Rock und Wammes,
mach dich zum Tod bereit!“
Ich seh‘ vor meinem Scheiden
die Menge Menschen an,
die mich zum Tod begleiten
nehmt euch ein Beispiel dran.
Sieh an du liebe Jugend
Doch dieses Beispiel hier:
Befleißigt euch der Tugend,
so sterbt ihr nicht wie wir.
Bundeslied der Bürger vom linken Rheinufer
Wohlan, so schwingt den Freiheitshut
mit losgewundner Hand
zum blauen Himmel hoch empor
und ruft in lautem Jubelchor
Heil Dir, o Vaterland.
Dich drückt nicht mehr der Knechtschaft Joch,
die Pfaffenschlange saugt
nicht mehr des guten Bürgers Blut,
er lacht wenn sie in schnöder Wut
nun Gift und Flamme haucht.
Uns schützt vor ihres Hauches Pest
Der liebe Vater Rhein
Und einem Zaubergürtel gleich
Umwindet er der Freiheit reich
Und lässt nur Freunde ein.
Verschwunden sind die stolzen Herrn
Von ihrem Wahn bekehrt,
verschwunden ist die Höflingsschar,
für die ein Tier der Bauer war,
der sie im Schweiß genährt.
Du aber, edles Frankenvolk,
vor dem das Untier sank,
das durch Gewalt und Hochverrat
sich Recht und Glück genommen hat,
empfange unsern Dank.
Wir schwören Dir, oh Heldenvolk,
den Eid der Dankbarkeit:
Wir schören Hass der Tyrannei,
doch treue Bundesliebe sei
auf ewig Dir geweiht.
Dans la foret
Dans la foret avec sa bande
Schinderhannes s’est désarmé
Le brigand près de sa brigande
Hennit d’amour au joli mai
Benzel accroupi lit la Bible
Sans voir que son chapeau pointu
A plume d’aigle sert de cible
A Jacob Born le mal foutu
Juliette Blaesius qui rote
Fait semblant d’avoir le hoquet
Hannes pousse une fausse note
Quand Schulz viene portant un baquet
Et s’ecrie en versant des larmes
Baquet plein de vin parfumé
Viennent aujourd’hui les gendarmes
Nous aurons bu le vin de mai
Allons Julia la mam’zelle
Bois avec nous ce clair bouillon
D’herbes et de vin de Moselle
Prosit Bandit en cotillon
Cette brigande est bientôt soûle
Et veut Hannes qui n’en veut pas
Pas d’amour maintenant ma poule
Sers-nous un bon petit repas
Il faut ce soir que j’assassine
Ce riche juif au bord du Rhin
Au clair des torches de résine
La fleur de mai c’est le florin
On mange alors toute la bande
Pète et rit pendant le dîner
Puis s’attendrit à l’allemande
Avant d’aller assassiner
Guillaume Apollinaire
Übersetzung
Im Wald macht sich mit seiner Bande
Schinderhannes von Waffen frei
Es wiehert liebestoll der Räuber
Bei seiner Räuberbraut im Mai
Benzel liest hockend in der Bibel
Und merkt nicht wie auf seinen Hut
Den spitzen mit der Adlerfeder
Zielt Jakob Born der Tunichtgut
Und Julchen Bläsius beim Rülpsen
Tut so als ob’s ein Schluckauf wär,
Hannes entfährt die falsche Note
Und Schulz schleppt einen Zuber her
Und schreit mit Tränen in den Augen
O Zuber voller Duft und Wein
Wenn heute die Gendarmen kommen
Der Maiwein muß getrunken sein
Los Mamsell Julie komm und trinke
Mit uns hier dieses helle Naß
Gemacht aus Moselwein und Kräutern
Bandit im Unterrock dein Glas
Die Räuberbraut ist rasch betrunken
Will Hannes doch der will nicht mehr
Jetzt keine Liebe meine Schlampe
Bring einen guten Imbiß her
Heut Abend muß ich noch erschlagen
Den reichen Juden dort am Rhein
Wenn die geharzten Fackeln brennen
Maiblume soll der Gulden sein
Nun wird geschmaust Die ganze Bande
Beim Essen furzt sie laut und lacht
Wird dann gerührt nach deutscher Weise
Eh sie sich brav ans Morden macht
Übersetzung: Paul Celan
Das Weib
Sie hatten einander so herzlich lieb,
Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
Wenn er Schelmenstreiche machte,
warf sie sich auf s Bett und lachte.
So lebten sie in Freud und Lust.
Des nachts lag sie an seiner Brust.
Als man ins Gefängnis ihn brachte,
stand sie am Fenster und lachte.
Er ließ ihr sagen: Oh komm zu mir,
ich sehne mich so sehr nach Dir.
Ich ruf nach dir, ich schmachte,
sie schüttelt das Haupt und lachte.
Morgens um sechs ward er gehenkt,
um sieben ward er ins Grab gesenkt.
Sie aber schon um achte,
trank roten Wein und lachte.
Es gibt doch kein schöner Leben
Es gibt doch kein schöner Leben
in der ganzen weiten Welt,
als das Strassenräuberleben,
morden um das liebe Geld!
In den Wäldern umzustreichen,
grosse Leute zu erreichen;
fehlt es uns an Geld oder Kleid,
bringen’s uns die Wandersleut.
Kommt ein Herr dahergegangen,
greifen wir ihn ernsthaft an.
Mit sei’m Geld darf er nicht prangen,
denn wir sind ein Räuberband.
Kommt eine Kutsche oder Wagen,
tun wir sie nicht lange fragen,
hauen, stechen, schiessen tot,
ist das nicht ein schön Stück Brot?
Sehn wir Galg’ und Räder stehn,
bilden wir uns herzhaft ein:
einmal muss es doch geschehen,
einmal muss gehangen sein.
So steigen wir aus dem Weltgetümmel
auf eine Leiter gegen Himmel,
lassen uns vom Wind schwenken aus und ein
bis wir abgefault sein.
Lasst den Leib am Galgen hangen,
denn er ist der Vögel Greif’,
lasst ihn hin und her sich wanken,
bis die Knochen werden weiss.
Lasst ihn liegen in der Erden
von den Würm gefressen werden.
Weit schöner ist’s an der Luft
als in einer Totengruft.
Ein freies Leben führen wir
Ein freies Leben führen wir,
Ein Leben voller Wonne,
Der Wald ist unser Nachtquartier,
Bei Sturm und Wind marschieren wir,
Der Mond ist unsre Sonne.
Heut kehren wir bei Pfaffen ein,
Bei reichen Pächtern morgen,
Da gibt’s Dukaten, Bier und Wein,
Was drüber ist, das lassen wir fein,
Den lieben Herrgott sorgen.
Und haben wir im Rebensaft
Die Gurgel ausgebadet,
So machen wir voll Mut und Kraft
Selbst mit dem Teufel Brüderschaft,
Der in der Hölle bratet.
Und wenn dann unser Stündlein kommt,
Das unsre Taten lohnet,
So trinken wir uns toll und voll
Und bring’n dem Schwarzen unsern Zoll,
Der in der Hölle thronet.
Gute Nacht will ich Dir geben
Gute Nacht will ich Dir geben,
du schöne Welt, gut Nacht.
Ich hab mein sündlich Leben
Nun bald zu End gebracht.
In meinem Räuberbunde
lebt ich vergnügt sehr lang
bald schlägt die Todesstunde –
jetzt wir mir angst und bang.
Ich seh die Schreckensbühne
Wo ich wird hingebracht.
Ich seh die Guillotine,
die mir mein Ende macht.
Ich seh vor meinem Scheiden
Die Menge Menschen an,
die mich zum Tod begleiten,
Oh harte Schicksalbahn
Lebt wohl, ihr meine Brüder!
Denn jetzo scheiden wir.
Singt eure Abschiedlieder
Im Trauer-Ton mit mir.
Lebt wohl, Ihr meine Richter!
Zu End’ ist das Verhör,
wir brauchen keine Lichter
und keinen Zunder mehr.
Lebt alle wohl, Ihr Diebe
Sorgt, dass ihr besser denkt,
und euch aus Menschenliebe
auf bessre Wege lenkt.
Gut Nacht, Ihr lieben Schönen,
die ich so oft besucht;
vergiesset keine Tränen
bei meiner letzten Flucht
Mein Julchen, ach ich scheide,
von Dir mein liebes Kind,
zu End ist unsre Freude,
weil wir getrennet sind.
Adieu, geliebte Mutter!
Der’s jetzt so übel geht
Wie manches Brot mit Butter,
hab ich bei Dir verschmäht
Lebt wohl, ihr braven Leute,
die wir so oft beraubt,
kommt her wir bringen heute
zum Opfer unser Haupt.
Lebt wohl und sorgt nicht weiter
Was noch entstehen mag,
denn wir erleben leider
den langen Todes-Tag.
Im Odenheimer Thal
Im Odenheimer Thal,
wo man nach Kreuznach gehet,
ereignete sich dieser Fall,
wie ihr hierselbst ihn sehet.
Herr Hannes, der verbarg sich dort,
nebst zweien Spießgesellen,
gelegentlich an diesem Ort
Marktgänger zu bestehlen.
Denn grad’ an diesem Tage war
Zu Kreuzenach die Messe.
Man ahndete wohl die Gefahr,
und fürchtet Rippenstöße.
Drum sammelte sich eine Schar
von meistens jüd’schen Leuten,
die etwa fünfzig Mann stark war;
Man sah sie schon von Weitem.
Doch Hannes achtete dies nicht,
er und zwei Spießgesellen
befohlen jedem solchen Wicht
sich in die Reih’ zu stellen.
Dann suchte man nun Mann für Mann
sie durch in allen Taschen,
um Gut und Geld und was daran
noch hänget zu erhaschen.
Doch weil es gar zu wenig war,
was sie bei allen fanden;
so glaubte Schinderhannes gar
in Stümpfen sei’s vorhanden
Und er gebot deswegen gleich,
dieselben abzulegen.
Es fiel auch mancher harte Streich,
gleich einem Sommerregen.
Zu langsam war ihm das Geschmeiß,
und er, er musste eilen.
Ein Räuber kann, so wie man weiß,
Ja nirgends lang verweilen.
Als er auch da nichts weiter fand,
so packte er flink zusammen
die Schuh’ und Strümpfe und verband
sie, wie sie etwa kamen
Nun suchte einer seinen Schuh,
den anderen Strumpf ein zweiter,
dem dritten fehlt das and dazu
und so ging’s immer weiter
Man schlägt, man rauft und prügelt sich,
bis alles kommt zu Ende.
Indeß lacht Bückler inniglich,
und schläget in die Hände.
Kochemer Schall
Juch drunter und drüber
Was Kochem will sein!
Mein Muß ist mir Lieber
als Scheger und Wein!
Hab’ ich auch den Dalles
Lau ist es mir leid
Mein Mick ist mir alles
Juch wie sie mich freut!
Und komm ich zum Spisser
Heißt’s: Hospes trag auf!
Man schwächet gewisser
Den Malbosch hercht auf!
Kein Moos in der Tasche
Muß kohdl Dalles sein
Kein Sorf in der Flasche
Das Zoro reißt ein!
Juch drunter und drüber
was Kochem will sein
mein Muß ist mir lieber
als Scheger und Wein
Ihr Tschore gault wieder
Den Hurf, schwächt ihn aus
Wer weiß ob wir Brüder
Im Aul noch zu Haus
Schinderhannes auf dem Turm
Er steht auf seinem Turme,
dreht sich in Wind und Sturme,
gespannt das Terzerol.
Er schwingt auf einem Beine,
fühlt sich so ganz alleine,
verlassen trotz Pistol’.
Er blickt kühn in die Weite,
beugt sich nicht zur Seite,
lässt grün die Feder wehn.
Er blickt zum fernen Walde
Und wünscht er könnte balde
Zu neuem Raubzug gehn.
Er steigt des Nachts hernieder,
reckt steif die rost’gen Glieder,
fühlt Gicht und Rheuma kaum.
Er schleicht dann durch die Lande,
schaut aus nach seiner Bande,
und weiß es ist ein Traum.
Er muß beim ersten Scheine
des Lichtes ganz alleine
dort oben wieder stehn.
Er muß noch Tag um Tage
zur Straf’ für seine Plage
viel knarrend’ Runden drehn.
Schinderhannes sei Leiblied
Hui, mir Räjwer lewe fein,
Brot genuch un klare Wein,
kimmt die Gendamerie doher,
weil se ach gelade wär
mecht jo rieche wol am brore
flott die flinte frisch gelade
Merks: Johannes durch de Wald!
Mudder mach die Läde zu,
schlof mei kind in sießer ruh
Vadder, gut die Katz verwahr
Und die Mädche ganz und gahr
Horch, wer kloppt? Eich honns vernumme
Wern doch wohl kä räuwer kumme?
Merks Johannes durch de Wald!
Lustig, lustig uff zum Danz!
Kälwerhäft un Ochseschwanz,
Weiwerkepp und Männerdärm
Lewe, Liewe, Lust un Lärm
Fott mit Eure Eisetrallje
Wachst kä Holz me vor de Gallje?
Mercks: Johannes durch de Wald!
Schinderhannesballade
Es lebte einst im Lande
ein junger Tunichtgut,
der Hauptmann einer Bande,
der reinsten Teufelsbrut.
Im Hunrück, bei den Köhlern
fand er ein gut Versteck,
was er den Wucherern raubte,
gab er an Arme weg.
Als Schinderhannes war er bekannt,
der Räuber überall im Land.
Kohlraben schwarze Haare,
die Augen voller Glut,
mit seinen starken Armen
gefiel er Weibern gut.
Dich Julchen nur, die mochte er,
obwohl ihr Vater sagt.
Ich warn‘ dich liebe Tochter,
mit ihm dich Unglück plagt.
Doch Julchen glaubte dem Vater nicht
mit Schinderhannes sie entwich.
Mit vierundzwanzig Jahren
sollt er des Todes sein.
Im Henkerswagen fahrend
zum Richtplatz hin am Rhein.
Mit trotzig starker Mine
betritt er das Schafott.
Es blitzt die Guillotine
vorbei war seine Not.
Im Jahre achtzehnhundertdrei
mit Schinderhannes war’s vorbei
Das Fallbeil ist verrostet,
sein Holz vom Wurm zernagt.
wes Blut es noch gekostet
man heut vergeblich fragt.
Die schuldig ihn befanden,
in jener Zeiten schwer,
als Not glitt durch die Lande,
die nennt man auch nicht mehr
Doch wo wer einst gewesen ist,
man Schinderhannes nie vergißt.